Fremdsprachenunterricht

Wie alle anderen Fächer der Waldorfschule soll auch der Fremdsprachenunterricht zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen beitragen. Indem neue Wege erschlossen werden, die Welt wahrzunehmen und zu empfinden, setzt das Erlernen neuer Sprachen einen Verwandlungs- und Entwicklungsprozess in Gang, der die eigene Sinnstiftung und Identität bereichert. Die große pädagogische Bedeutung, die Steiner diesem Unterricht beigemessen hat, kommt in seiner Forderung zum Ausdruck, dass ab der 1. Klasse zwei fremde Sprachen mit insgesamt sechs Wochenstunden unterrichtet werden sollten. Gleichzeitig verweist Steiner darauf, dass dieser Unterricht in seiner Zielsetzung über die praktische Sprachbeherrschung weit hinausgeht und dass eine wesentliche Dimension des Menschseins erst durch das Fremdsprachenlernen erschlossen werden kann.

Hatte die Begegnung mit der Fremdsprache in der Unterstufe mit traditionellen Kinderreimen, Liedern und Gedichten begonnen, fortgeführt in der Mittelstufe durch die Lektüre von Märchen, Volkssagen und Geschichten, so bringt die Oberstufe nun die Begegnung mit den Klassikern, mit zeitgenössischer Literatur und vielfältig anregenden Sachtexten. Dadurch ergibt sich eine “primäre” Erfahrung der ästhetischen und kulturellen Dimensionen der jeweiligen Fremdsprache. Jeder Schüler soll die Möglichkeit haben, auf seine Weise aktiv und aus eigener Motivation heraus zu einer solchen Erfahrung zu kommen. Hieraus können solche individuellen und sinnstiftenden Entwicklungs- und Verwandlungsprozesse entstehen, die mit Humboldt als „Gewinnung eines neuen Standpunkts in der bisherigen Weltansicht“ bezeichnet werden können. Charakteristisch für den Erstspracherwerb ist auch, dass er immer in einem Kontext stattfindet und durch nicht-semantische Kommunikationsprozesse gestützt wird. Dazu gehören Gestik, Körpersprache, Mimik, Tonfall.